Viel ist heute von Gerechtigkeit die Rede. Klimagerechtigkeit, Gendergerechtigkeit, Gerechtigkeit statt Rassismus. Die Wissenschaft trägt ihren Teil zur Diskussion bei.
Das Empfinden
Das Gerechtigkeitsempfinden ist nicht nur bereits bei Kindern ausgeprägt, sondern zeigte sich, im Rahmen eines Experiments, sogar bei Kapuzineraffen, die ihre „Bezahlung“ in Form eines Gurkenstückchens dann ablehnten, wenn sie Zeuge wurden, wie ihre Nachbarn mit den süßen und begehrteren Trauben entlohnt wurden.
Es ist nicht verwunderlich, dass das Tief sitzende Gerechtigkeitsempfinden immer wieder auch politisch thematisiert wird und auch die Wissenschaft erfasst; Sollte diese nicht auch ihren Beitrag dazu leisten, die Entwicklung hin zu einer „gerechteren“ Welt, zu eine „gerechteren“ Gesellschaft voranzutreiben?
Die Diskussion
Es ist genau jene Frage, die Wissenschaftler seit langer Zeit umtreibt und deren Diskussion ihren vorläufigen Höhepunkt in der Habermas-Luhmann-Debatte Anfang der 1970er Jahre hatte. Soll Wissenschaft sich auf die Ermittlung nüchterner Fakten beschränken (die dann von unterschiedlichen Ideen instrumentalisiert werden können), oder soll es von Anfang an um ein Projekt der Weltverbesserung gehen, in dessen Dienst die Wissenschaft gestellt wird?
Die Frage ist keineswegs banal, da sie das Verhältnis von Moral (die immer stark subjektiv ist) und Wissenschaft (die sich zumindest um eine gewisse Objektivität bemüht) betrifft.
Dort, wo Gerechtigkeit in einem wissenschaftlichen Rahmen erwähnt wird, kann dies nicht ohne genau philosophische und begriffliche Einordung geschehen: Handelt es sich um „Chancen-“ oder um „Verteilungsgerechtigkeit“ oder um eine der vielen, neu geschaffenen Begriffskompositionen oder Variationen, mit denen die zugrundliegende Gerechtigkeitsvorstellung allerdings meist eher verschleiert als erklärt wird?
Wissenschaftler – zumindest solche, denen es tatsächlich um den Gehalt ihrer Arbeit geht – sind also gut beraten, etwas zurückhaltender mit dem Thema Gerechtigkeit umzugehen.
