Sie befinden sich auf der Archivseite von Dr. Franke. Besuchen Sie unsere aktuelle Webseite →

Selbsteinschätzung im Studium (II): Der Dunning-Kruger-Effekt

Selbsteinschätzung im Studium (II): Der Dunning-Kruger-Effekt

Interessanterweise trägt gerade die Inkompetenz in einigen Fällen dazu bei, sich selbst für besonders kompetent zu halten.

Der aus der Psychologie bekannte, so genannte „Dunning-Kruger-Effekt“ kennzeichnet eine Dynamik, wonach Personen, die einen extrem niedrigen Kenntnisstand in einem Fachbereich haben, ihre eigenen Kompetenzen höher Einschätzen als Personen, die deutlich mehr über diesen Fachbereich wissen.

Ich ahne, dass ich alles weiß…

Damit gilt, dass die Sokratische Aussage „ich weiß, dass ich nichts weiß“, durchaus zunächst erarbeitet werden muss; davor steht zunächst das eigene Nichtwissen, das noch nicht einmal als solches erkannt wird.
Der Dunning-Kruger-Effekt wirkt, weil die Kompetenz der Betroffenen noch nicht dazu ausreicht, die Komplexität eines Fachbereichs einschätzen zu können – dies würde ihnen nämlich erlauben, ihren eigenen, äußerst geringen Wissensstand besser erkennen und einordnen zu können.

Umgekehrt schätzen sich Fortgeschrittene, die sich Teile des Fachbereich bereits erarbeitet haben, deutlicher zurückhaltender ein, da sie über genau jene Einblicke verfügen, die ihnen zeigen, dass ihr Wissen äußerst begrenzt ist. Gleichzeitig steigt mit dem Wissen um die eigenen Wissensgrenzen auch die Fähigkeit, sich und andere auf realistische Art einzuschätzen, Selbstkritik zu üben etc.

Die Unkenntnis der Unkenntnis

Das Auftreten des Dunning-Kruger-Effekts ist sicherlich weiter verbreitet, als es die Betroffenen wahrhaben möchten, zumal die Ignoranz der eigenen Ignoranz zu den Symptomen gehört. Mitunter findet auch eine Vermischung mit anderen psychologischen Eigenschaften statt, etwa dann, wenn das eigene Nichtwissen sogar als Quelle von Stolz gilt und man sich nicht von der Meinung von „Experten“ oder „den Medien“ beirren lässt.

Im Studium sollte viel daran gesetzt werden, möglichst schnell genug über den eigenen Fachbereich und die Möglichkeiten einer genauen Selbsteinschätzung zu lernen, um nicht Opfer des Dunning-Kruger-Effekts zu werden, und um so schnell wie möglich aus der Phase des „unbewussten Nichtwissens“ herauszutreten. Erst wenn dies geschehen ist, kann eine fruchtbare Beschäftigung mit den Themen des Studiums erfolgen.

Auch dabei sind immer Bescheidenheit und guter wissenschaftlicher Stil gefragt: Expertentum fällt nicht vom Himmel, sondern wird meist über mehrere Jahrzehnte aufgebaut. Und selbst dann bieten viele Fächer noch Potenzial, auch eingefleischte Kenner zu überraschen, zumal der wissenschaftliche Fortschritt heute schnelle denn je stattfindet und eine ständige Aktualisierung von Wissensbeständen erfordert.

Tags: Tags, ,