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Wissenschaft im Wandel der Jahrzehnte

Wissenschaftliche Vorgehensweisen, so könnte man meinen, seien unumstößlich. Dabei vollzieht sich gerade in den letzten Jahren ein starker Wandel.

Wer seine Dissertation vor Aufkommen der Computer schrieb, war es gewohnt, Tage in der Bibliothek oder hinter Bergen ausgeliehener Bücher zu verbringen und seine Texte entweder auf der Schreibmaschine oder gar handschriftlich zu verfassen. Häufig verdienten sich auch versierte Schnellschreiber etwas dazu, die Notizen ihrer Kommilitonen abzutippen und so in eine vorzeigbare Form zu bringen. Musste ein Textteil eingefügt werden, verrutschte ein Absatz oder eine Seitenzuordnung, so ließ sich das Problem unter Umständen nur durch den geschickten Umgang mit Tipp-Ex, Schere und Kopierer wieder bereinigen.

Der Einzug der Computertechnik hat jedoch nicht nur diese technischen Probleme gelöst (und dafür viele neue geschaffen!), sondern auch zu einem kulturellen Wandel und einem Umdenken in vielen Bereichen geführt:

  • Der Druck, alle Fachkonzepte oder Spezialausdrücke ausführlich im Text zu beschreiben, hat nachgelassen, da viele Informationen schnell im Internet abrufbar sind.
  • Die Literatursammlung der meisten Arbeiten dürfte sich heute eher auf der Festplatte oder SSD als in der Bibliothek abspielen. Dies gilt insbesondere für Fachbereiche, die schnell auf Veränderungen reagieren müssen.
  • Plagiate können angesichts der Informationsvielfalt leichter erstellt, aber auch leichter aufgespürt werden.
  • Die Literatursituation ist vielfach unübersichtlicher geworden: Während die renommierten Wissenschaftsverlage sich bemühen, eigene „Standardwerke“ zu etablieren, drängen neue Akteure auf den Markt, wobei sich analog zur Open Source-Software auch eine Open Data-Wissenschaft etabliert.
  • Die Epoche des „uomo universale“ scheint vorüber, zumal in Zeiten extremer wissenschaftlicher Ausdifferenzierung und des beschleunigten Wissenszuwachses der Überblick über die Entwicklungen verlorengeht.
  • Der Konkurrenzdruck innerhalb der Wissenschaften nimmt zu und zwingt auch eher wortkarge Zeitgenossen zu immer neuen Publikationen.

Die hier genannten Veränderungen führen dazu, dass heute andere Maßstäbe für die Bewertung wissenschaftlicher Arbeiten angelegt werden müssen: So kommt es heute weniger darauf an, die relevanten Informationen zu finden, als vielmehr darauf, sie zu bestimmen, aus der unübersichtlichen Datenbasis auszuwählen und in einen sinnvollen Kontext zu bringen. Hinzu kommt, dass der Blick über den Tellerrand des eigenen Fachs leichter erscheint – und dementsprechend auch genutzt werden sollte. Es bleibt zu hoffen, dass die Universitäten angesichts dieses Wandels auch bei ihrer Bewertungspraxis die richtigen Schlüsse ziehen.

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